Unser diesjähriger Urlaub sollte für uns alle etwas besonderes werden. Denn unsere Lieblingsreisezeit September können wir dieses Jahr letztmalig nutzen. In 2019 kommt das Minifräulein zur Schule und somit wird es einen Septemberfamilienurlaub in naher Zukunft für uns so nicht mehr geben. Wir fieberten auf unsere zwei Wochen Sizilien-Urlaub hin, verglichen immer wieder Mietwagenpreise und Ferienwohnungen. Für uns im Vorfeld schon immer eine tolle Einstimmung, mit viel Träumerei, wie unser Urlaub wohl so werden wird. Bestimmt wird er etwas ganz besonderes.
Der Urlaub wurde nun auch etwas ganz besonderes, aber ganz anders als wir es uns vorgestellt hatten. Eigentlich fing alles ganz nett an, der Minimann hatte zwar noch ein wenig mit einer abklingenden Bronchitis zu tun, weshalb wir uns die erste Tage oft gegen Badetage entschieden hatten. Dennoch liebten wir es, die Fischer zu beobachten, das rege treiben am Hafen zu erkunden und Ausflüge in nahe gelegenen Städte zu unternehmen.
Die archäologische Fundstätte in Selinunte konnten wir zu Fuß erreichen und die Kinder fragten mir Löcher in den Bauch. Den Minimann beschäftigte vor allem, ob denn hier auch die Dinosaurier gelebt hätten. Ähhmmm.. jaaa… natürlich haben sie das! Aber noch weit vor der Zeit, als die Leute damals anfingen solche Tempel zu bauen.
Da unser Ort eher klein war und wir ein wenig mehr von Sizilien sehen wollten, beschlossen wir unseren Aufenthalt um einen Tag zu verkürzen und buchten für den Montag (03.09.) ganz spontan eine Nacht in Palermo.
Am Samstag (31.08.) überlegten wir zu einer Saline in den Westen Siziliens zu fahren, kurz bevor es losging klagte das Minifräulein über Kopfschmerzen. Ich fühlte ihre Stirn, sie war heiß. Das Minifräulein fieberte. Vorbei waren alle Pläne und einer hütete nun immer mit dem Minifräulein das Bett, während der Andere mit kleinen Spaziergängen und Co. den Minimann bespaßte. Die nächsten Tage/ Nächte waren hart. Das Minifräulein fieberte mit über 40,5 Grad und hatte schlimme Fieberträume, wir machten die ganze Nacht über Wadenwickel, erfüllten ihr alle Wünsche und tagsüber gaben wir ihr einen Fiebersaft, damit sie sich wenigstens ein wenig erholen konnte. Das Ganze machten wir bis Montag durch und jedes Mal war die Hoffnung groß, das Fieber endlich bekämpft zu haben und endlich wieder einen normalen Urlaub machen zu können. Was wir nicht ahnten, es sollte alles noch viel schlimmer kommen.
Unter Fiebersaft schafften wir es ganz gut, von unserer Bleibe in Selinunte nach Palermo umzusiedeln, dort hatten wir eine wunderschöne kleine Wohnung direkt in der Innenstadt mit Blick auf den Hafen, wo täglich riesige Kreuzfahrtschiffe anlegten und auf der Dachterrasse befand sich ein wunderschöner kleiner Pool. Der die nächsten Tage zu meinem persönlichen Tageshighlight werden sollte.
Die Nacht in Palermo brach an und das Minifräulein fieberte weiterhin unglaublich hoch, sodass wir anfingen uns immer mehr Sorgen zu machen. Gemeinsam überlegten wir, wie wir nun weiter vorgehen wollten. Ein weiterer Tag hohes Fieber ging auf keinen Fall. Wir suchten im Internet nach Krankenhäusern und Informationen zu deutschsprachigen Ärzten in Palermo. Wir überlegten immer wieder hin und her, wie wir nun weiter handeln wollten. Wir wollten die Nacht abwarten und dann am nächsten Tag auf jeden Fall einen Arzt aufsuchen. Nebenbei schrieb ich meinen Großonkel in Deutschland an. Er ist Kinderarzt und wir fragten um Hilfe. Er antwortete uns sofort und bestätigte unsere Pläne.
Mitten in der Nacht wachte das Minifräulein auf, sie musste nun auch noch spucken. Das brachte das Fass zum überlaufen. Wir machten auch den Minimann wach und fuhren zum Krankenhaus in die Notaufnahme. Beim ersten Krankenhaus waren wir nicht richtig und man schickte uns weiter in das Kinderkrankenhaus von Palermo. Zum Glück waren wir die Einzigen in der Notaufnahme und kamen sofort dran. Das Minifräulein war mittlerweile so entkräftet, dass sie nicht mal mehr allein laufen konnte. Die Verständigung vor Ort war leider nicht so einfach, aber ein Glück gibt es Übersetzungsprogramme (ein Hoch auf den technischen Fortschritt). Denn auf Sizilien sprechen die Wenigsten auch nur Ansatzweise Englisch, geschweige denn deutsch. Ein Glück konnte wenigstens die Ärztin Englisch, so dass wir uns mit ihr verständigen konnten. Man hing das Minifräulein sofort an einen Tropf, da sie völlig dehydriert war. Man nahm Blut ab und man erklärte uns auf englisch, dass der Hals etwas entzündet sei, allerdings hatte das Minifräulein uns gegenüber nie über irgendwelche Schmerzen (außer Kopfschmerzen) geklagt. Zwei Stunden würde es dauern, bis die Blutergebnisse vorliegen würden und dann würden wir wissen, ob man ein Antibiotikum verabreichen muss oder ob es ein Virus ist. Leider bestätigte sich eine bakterielle Infektion, so gab es nun über den Tropf zusätzlich ein Antibiotikum. Es war mittlerweile 5 Uhr morgens und der Minimann & mein Mann fuhren zurück in die Wohnung. Ich blieb völlig aufgewühlt allein beim Minifräulein zurück. Die nächsten Stunden waren schrecklich. Das Minifräulein schlief ein Glück immer wieder ein. Aber meine Gedanken kreisten um alles Mögliche und zudem war ich völlig fertig nach dieser ziemlich anstrengenden Nacht mit wenig Schlaf und den sich überschlagenden Ereignissen. Wie wollten wir das die nächsten Nächte machen? War es überhaupt möglich weiterhin in dem kleinen Zimmer in Palermo zu bleiben? Ist es überhaupt noch möglich den Urlaub so fortzusetzen, wie wir es eigentlich geplant hatten? Werden wir vorzeitig nach Hause fliegen müssen?
Mir stiegen Tränen in die Augen. Jeden Tag gehen wir arbeiten, um einmal im Jahr einen schönen Familienurlaub machen zu können. Warum musste das Minifräulein genau jetzt so sehr krank werden? Warum ist uns die Erholung, die ich mir so sehr herbeisehnte einfach nicht gegönnt? Anstatt am Strand den Kindern beim planschen zuzuschauen, saß ich mit zwei italienischen Müttern und ihren Jungs in einem kleinen Krankenhauszimmer. Die beiden Jungs husteten um die Wette. Natürlich brauche ich nicht erwähnen, dass auch sie kein Wort Englisch sprachen. Also konnte ich nicht mal die einfachsten Dinge mit ihnen austauschen. Denn für mehr als Ciao und Grazie reicht mein Italienisch nicht. Sie waren trotzdem herzallerliebst und mit Händen und Füßen erfragt, brachten sie mir sogar einen Cappuccino mit. Sie machten mir auch deutlich, dass ich mir keinen Sorgen machen brauche und ruhig mal wieder lächeln sollte. Tja wenn das mal in allen Situationen so einfach wäre. Wir konnten uns wirklich mit kaum jemanden verständigen, weder die Schwestern, noch irgendwer anders war in der Lage englisch zu sprechen. Beistellbetten für die Eltern gibt es in Italien leider auch nicht, die nächsten Tage sollte also ein blauer Plastikstuhl unser Ruheort sein. Auch ein Zusatzessen für die begleitenden Eltern gibt es nicht, wobei das Essen morgens aus abgepacktem Zwieback + Aprikosenmarmelade bestand und es mittags und abends das gleiche Essen gab, ein Stück Fleisch mit Kartoffeln oder Möhren. Zumindest für uns, denn als die Frau, die nach dem Essen fragte erfuhr, dass wir kein Italienisch sprachen, schrieb sie einfach für jeden Tag das Gleiche auf, ohne sich auch nur annähernd die Mühe zu machen, mit uns zu kommunizieren. Genauso reagierte auch leider immer wieder das Pflegepersonal. Die Hygienezustände im Krankenhaus waren unterirdisch und liegen weit unter dem deutschen Niveau. Im ganzen Krankenhaus habe ich leider (auch nicht auf den öffentlichen Toiletten) jemals eine Handseife gefunden, zum Glück bin ich nicht Herpesbläschen anfällig, denn ich habe mich selten vorher so oft geekelt und jemand der darunter leidet, hätte wohl spätestens nach einer Nacht im Krankenhaus, die komplette Lippe voller Bläschen gehabt.
Auch im Krankenhaus wird man quasi dazu gezwungen bei der vorherrschenden Plastikmüllverschwendung mitzumachen. So gibt es zwar Wasserflaschen, aber keinerlei Becher dazu. So bringt jede Familie (die Familien fallen übrigens gerade am späten Nachmittag heuschreckenartig ins Krankenhaus ein) ihre Plastikbecher und Plastikteller mit. So wird die Verwandtschaft mit Essen versorgt. Das war auch irgendwie unser Glück, denn sie versorgten auch uns mit einem leckeren selbstgemachten Nudelauflauf. Viele Zustände sind einfach ganz anders als in Deutschland. Dass es keine Zustellbetten für Eltern gibt, fand ich jedoch besonders befremdlich und um überhaupt irgendwie Schlaf zu finden, kroch ich in der einen Nacht einfach mit in Minifräuleins Krankenhausbett (ein Kinderbett mit den Maßen 60×120) Es war also keineswegs eine erholsame Nacht, aber wenigstens überhaupt ein wenig Schlaf für mich. Nachdem mein Mann die Nacht vorher beim Minifräulein im Sitzen schlafend verbracht hatte, was ich irgendwie fast ein bisschen wie Folter empfand und er nach dieser Nacht fix und fertig war.
Glücklicherweise lernten wir Paola kennen. Sie war in Berlin aufgewachsen und lebt nun auf Sizilien. Ihre kleine Tochter hatte Fieberkrämpfe und so musste sie auch mehrere Nächte im Krankenhaus bleiben. Paola war für uns die Rettung! Sie übersetzte uns nun, was die Ärzte sagten und außerdem tat es unglaublich gut, sich mit jemanden, der unseren Lebensstil kannte und nachvollziehen konnte, auszutauschen. Auch sie warnte uns vor den Hygienezuständen und so stand für uns fest, dass wir nur so lange es wirklich nötig war im Krankenhaus bleiben wollten. Denn wirklich erholsam war der Aufenthalt für das Minifräulein nicht. Vor 24 Uhr kehrte nie Ruhe immer Zimmer ein. Generell herrschte immer ein großer Geräuschpegel, denn das leiseste Völkchen sind die Italiener nicht. Der Fernseher läuft 24 h; jeder hat ein Handy, auch der ca. 8 jährige Junge, der mit auf dem Zimmer lag, hatte bereits sein eigenes Smartphone. Auf diesem wird unentwegt YouTube geschaut, natürlich ist bei jedem der Lautsprecher dabei an, die Erfindung von Kopfhörern ist wohl an den Italienern vorbeigegangen; dann ist mind. immer ein weiteres Familienmitglied zu Besuch und mit dem wird sich lautstark ausgetauscht. Vieles läuft einfach ganz anders als in Deutschland und dennoch war es ein Einblick in dieses Land, den wir wohl so nie bekommen hätten. Und nach solchen Erfahrungen weiß man so einen Urlaub und die damit verbundene Erholung doch gleich viel mehr zu schätzen.
Besonders schlimm war es, wenn die Krankenschwestern Blut abnahmen oder einen neuen Zugang legten. Das Minifräulein so zu sehen brach mir fast das Herz. Der Arm wurde mit etwas abgebunden, das aussah wie ein alter Luftballon und spätestens dann fing sie an zu schreien. Leider hat sie auch wie ich ziemlich versteckte Venen und so mussten wir diese Tortour gleich mehrmals durchstehen. Ich versuchte immer sie so gut es ging abzulenken, was natürlich in ihrer panischen Angst vor den Schmerzen gar nicht so einfach war. Generell machten viele Schwestern einen eher wenig einfühlsamen Eindruck auf mich, ob es an der Sprachbarriere lag oder generell so ist kann ich nicht einschätzen. Uns war auf jeden Fall klar, wir wollten, wenn es nicht absolut notwendig wäre, keinen Tag länger in dem Krankenhaus bleiben.
Wir hielten es nicht mehr aus und verließen auf eigenen Wunsch am 06.09. das Krankenhaus. Die letzten 2,5 Tage waren einfach unglaublich anstrengend für uns alle und wir wollten uns nun endlich ein wenig an unserem eigentlichen Urlaubsort erholen. Die Entscheidungen war für uns alle goldrichtig. Das Minifräulein kam endlich dazu sich richtig gesund zu schlafen und auch die Einnahme des Antibiotikum als Saft klappte viel besser als erwartet und so konnten wir wenigstens die verbleibenden 4 Tage unseren Urlaub ein wenig genießen. Ein Urlaub, den wir wohl so schnell nicht wieder vergessen werden und der auf seine ganz eigene Art und Weise besonders war.
Unser Aufenthalt in Avola war trotzdem wunderschön, nur leider durch die Krankenhaustage deutlich kürzer als vorab geplant. Eine Bootstour und die Stadt Siracusa waren zwei besondere Highlights.