Kleiner Kämpfer

Die zweite Schwangerschaft

Eigentlich verlief meine zweite Schwangerschaft an sich normal. Ich hatte zwar wieder mit Kreislaufproblemen und vorzeitigen Wehen zu tun, aber das Spielchen kannte ich bereits aus der ersten Schwangerschaft. Ich musste viel liegen und das Liegen empfand ich auch am angenehmsten. Von den Wehen merkte ich nichts, auch wenn das CTG immer ordentlich ausschlug. 

Meine Tochter wurde am 18.12.2014 zwei Jahre alt, wir feierten nur ganz klein als Familie. In der Nacht zum 19.12.2014 musste ich schon einige Male mit Durchfall zum Klo, dachte mir aber nichts weiter dabei. Mein Schwester hatte sich glücklicher Weise (sie hat wohl einen siebten Sinn) den 19.12.2014 frei genommen. Morgens ging es mir immer schlechter. Ich rief erst bei ihr an und anschließend gleich beim Frauenarzt. In kürzester Zeit war sie bei uns, half mir meine Tochter für die Krippe fertigzumachen und kutschierte mich dann erst zur Krippe und anschließend zum Frauenarzt.

Alles kein Problem

Beim Arzt angekommen wurde ich ans CTG gehangen und hatte schon ziemlich starke Wehen. Ich schilderte dem Arzt, dass ich Durchfall habe und es mir nicht besonders gut geht. Er sagte, das alles sei kein Problem, es könnte jedoch sein, dass ich mir einen Virus eingefangen habe. Ich solle nach Hause fahren und mich nochmal hinlegen. Da der Arzt tiefenentspannt war machte ich mir keinerlei Sorgen, denn schließlich war bis zum ET am 27.01.2015 noch eine Menge Zeit. Das Spielchen mit stärkeren Wehen hatte ich ja vorher auch immer Mal wieder, also brauchte ich mir keine Sorgen machen. Mein Mann kam an diesem Tag nach seiner letzten Abschlussprüfung, glücklicher Weise, früher nach Hause. Gegen Mittag fragte er mich ob ich irgendetwas haben wollte. Ich fühlte mich nach der Fahrt zum Frauenarzt allerdings einfach nur schlapp und wollte ins Bett. Bat ihn aber noch um einen Tee. Ich trank den Tee und schlummerte kurz ein. Um dann kurz darauf heftig zu erbrechen, nun fühlte ich mich noch schlechter als vorher. Ich sagte ihm, dass ich nicht mehr könne und wir doch lieber ins Krankenhaus fahren sollten. Meine Schwester blieb zu Hause und sorgte sich um unsere Tochter, die bald aus dem Kindergarten abgeholt werden musste.

Im Krankenhaus

Im Krankenhaus angekommen, ging es sofort in den Kreißsaal. Die Wehen wurden immer stärker, aber auch Übelkeit und Durchfall hielten leider weiter an. Die folgenden Ultraschalluntersuchungen empfand ich als Qual, da das Liegen auf dem Rücken in dem Moment sehr unangenehm war. Die dort anwesende Assistenzärztin sprach in gebrochenem Deutsch und war wenig, bis gar nicht, einfühlsam. Sie brabbelte irgendwas von, da müssen wir sowieso einen Kaiserschnitt machen usw. Anschließend wurde ich von einem anderen Arzt untersucht und der sagte: „Das wird schon, ein Kaiserschnitt sei nicht nötig.“Was ich in dem Moment beruhigend fand. Also landeten wir nun endlich in „unserem“ Kreißsaalzimmer. Die Zeit verging für mich gefühlt überhaupt nicht und ich war durch das Erbrechen und den Durchfall bereits vor der Geburt körperlich am Ende. Als mein Mann mir auch noch sagte, er müsse sich mal was zu Essen holen, wollte ich ihn zuerst gar nicht gehen lassen. Sah dann aber doch ein, dass er, nur mit einem Frühstück im Magen (wir hatten es bereits 14 Uhr), die noch vor uns liegenden Stunden, schwer durchhalten würde. 

Die zuständige Hebamme war immer nur kurz bei uns, steckte den Kopf durch die Tür und fragte, ob alles okay sei. Naja ging so, eine Hebamme, die bei mir ist, wäre schön, dachte ich. Da die arme Frau mehrere Geburten gleichzeitig betreute, konnte sie gar nicht anders. Ich fragte noch nach einer PDA, da sagte sie nur:“Dafür ist es schon zu spät.“ Na toll! Also irgendwoher die letzten körperlichen Reserven nehmen und durchhalten.

Auf einmal ging es schnell

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Und plötzlich ging alles sehr schnell. Nach nicht mal vier Stunden im Krankenhaus kam unser kleiner Leo auf normalem Weg zur Welt. Er wurde mir auf den Bauch gelegt, doch plötzlich wurde es um uns herum ganz hektisch, er wurde auf einmal ganz blau, er atmete nicht richtig. Die Hebamme und die Schwester reagierten schnell und nahmen ihn sofort wieder an sich und rannten mit ihm aus dem Zimmer. An die folgenden Minuten kann ich mich gar nicht mehr richtig erinnern. Ich selbst war körperlich so am Ende, dass ich wohl gar nicht fassen konnte, was da gerade passierte. Die Schwestern kamen wieder und sagten er müsse jetzt erstmal versorgt werden. Da auch ich ziemlich schwach und völlig ausgetrocknet war, wurde ich erstmal an einen Tropf gehangen. Mein Mann war die ganze Zeit an meiner Seite und wir unterhielten uns ein wenig. Auch er war sehr verunsichert. Leo musste erstmal in einen „Brutkasten“. Sie brachten ihn uns nochmal in dem Kasten vorbei, damit wir ihn wenigstens noch einmal sehen konnten. Danach nahmen sie ihn erstmal mit auf die Neugeborenenintensiv (die sich glücklicher Weise direkt in dem Krankenhaus befindet) Ich wurde auf die Station verlegt und bekam aufgrund des Verdachtes auf Norovirus ein Einzelzimmer. Darüber war ich sehr froh, denn erstens hatte ich dort meine Ruhe und zweitens wäre es wohl das Schlimmste gewesen, sich das Zimmer mit einer glücklichen Mutter mit Baby im Arm teilen zu müssen. Mein Mann begleitete mich noch. Er ging dann noch mit den Ärzten zur Neugeborenenintensiv, bis er mich dann noch völlig erschöpft gegen 23:00 Uhr anrief und mir sagte, dass er nun auf dem Heimweg sei. Das Gespräch war sehr beklemmend, da er sich große Sorgen um unseren Sohn machte. Mit dem Gefühl von einer großen Ungewissheit, weinte ich mich in den Schlaf. (Und muss gestehen, dass während ich hier schreibe, wieder Tränen über meine Wangen kullern)

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Warten, warten, warten…

Ich hatte mir tatsächlich einen Norovirus eingefangen. Mein Mann und auch alle anderen Besucher mussten sich bei jedem Besuch grün „einkitteln“ und alles sorgfältig desinfizieren. Spätestens nach einem Besuch auf der Neugeborenenintensiv, ist man ein wahrer Desinfektionskünstler. Aber daran war für mich noch gar nicht zu denken, da ich mit dem Norovirus natürlich hoch ansteckend war und somit nicht auf die Neugeborenenintensiv durfte. Die netten Schwestern hatten sehr viel Mitleid mit mir. Sie machten Fotos von Leo und brachten mir diese dann. Nach zwei langen Tagen, war es endlich soweit, ich durfte endlich zu meinem Baby. Als ich dann bei ihm war, kullerten wieder die Tränen. Da lag er, in dem großen Inkubator, zugeklebt mit Schläuchen, alles um ihn herum piepte und surrte. Ein großer Monitor zeigte die verschiedensten Zahlen, mit denen ich anfangs überhaupt nichts anfangen konnte. Die Schwestern der Station waren sehr nett und nach ein paar Stunden auf der Intensivstation, ging ich wieder allein auf mein Zimmer. Ich war erschöpft von allem. Die ganze Situation war so anders als ich es mir vorgestellt hatte. Nach und nach wurde alles ein Glück etwas normaler. Obwohl ich es schlimm fand nicht jederzeit mein Baby in den Arm nehmen zu können. Ich durfte zwar jederzeit auf die Station, jedoch konnte Leo viele Sachen noch nicht allein und war deshalb auf den Brutkasten und die vielen Schläuche angewiesen. Ich pumpte Milch ab, damit Leo wenigstens ab dem Zeitpunkt, wo keine Ansteckungsgefahr mehr bestand, Muttermilch bekommen konnte. Diese wurde ihm dann über eine Magensonde gegeben. Auch ich fütterte ihn so ab und zu. Ich beschloss selbst nicht länger im Krankenhaus zu bleiben, da einerseits Weihnachten vor der Tür stand, andererseits ich sowieso vor Ort nicht viel machen konnte. Denn Leo konnte nicht lange außerhalb seines Kastens sein, zum Kuscheln blieb uns immer nur eine halbe Stunde. Die ganze Situation war auch so anstrengend, dass ich mich nach unserem gemütlichen zu Hause sehnte.

Meine Familie kam über Weihnachten zu Besuch (alle wohnen über 300 km entfernt), alle die Leo besuchten klappten auf der Neugeborenenintensiv reihenweise ab. Die warme Luft, die ganzen Geräte und Informationen, das war einfach zu viel. Wir fuhren nun zweimal täglich ins Krankenhaus und besuchten unseren kleinen Leo. Milch pumpte ich immer genügend ab, so dass er gut versorgt werden konnte. Ich versuchte ihn so oft wie möglich vor Ort zu stillen, der kleine Kerl war jedoch meist so erschöpft, dass nicht besonders viel dabei rauskam.

 Die Schwestern auf dieser Station leisten einen großartigen Job und waren stets verständnisvoll und fürsorglich. Ich hatte keinerlei Bedenken Leo bei Ihnen zu lassen. Trotzdem dachte ich natürlich die ganze Zeit an mein Baby und fieberte jedem nächsten Aufenthalt entgegen, wir durften jederzeit zu ihm und waren teilweise bis morgens zwei Uhr bei ihm. Jedes Mal hoffte ich, die Ärzte würden uns endlich sagen, dass es ihm deutlich besser geht und wir ihn endlich mit nach Hause nehmen können.

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Nach Hause

Bevor ich Leo mit nach Hause bekam, musste ich zwei Tage lang mit ihm zusammen auf der Kinderintensivstation bleiben. Man wollte sehen ob ich das mit ihm hinbekomme. Ich selbst empfand/empfinde das ziemlich übertrieben, da ich ja bereits ein Kind hatte und zudem ja auch eine Hebamme hatte die uns betreute. Aber die Ärzte im Krankenhaus wollten wohl auf Nummer sicher gehen. Nach 2,5 langen Wochen war es endlich soweit und wir durften unseren kleinen Sohn endlich mit nach Hause nehmen. Wir waren so unendlich glücklich endlich zu viert zu sein!

Schlusswort

Ich möchte mit meiner „Geschichte“ niemandem Angst machen. Nur vielleicht einen Anstoß geben, sich Gedanken zu machen, welchen Ort man für seine Geburt wählt. Ich selbst hätte niemals mit solchen Komplikationen gerechnet und bin überglücklich, dass bei unserem kleinen Leo so schnell gehandelt werden konnte. Wer weiß wie es hätte verlaufen können, wäre keine kompetente Versorgung vor Ort gewesen. Unser Leo ist heute ein glücklicher, kleiner, frecher Junge. In gut einem Monat feiern wir seinen zweiten Geburtstag und freuen uns schon riesig auf seinen weiteren Lebensweg!

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